Von Born, Bullenklub und Uhlenbusch
Von Anja-Kathrin Jachmann Braunschweiger Zeitung vom 20.03.2001
BORNUM.
Dieses Dorf
im Landkreis Helmstedt lässt aufhorchen, den Betrachter neugierig werden. Nicht nur alte Bausubstanz im 1135 erstmals urkundlich erwähnten Ort ist es, die
einen fesselt während der Ortsdurchfahrt. Die Menschen sind es, die an Traditionen festhalten. Am Miteinander ebenfalls. Trifft man hier auf einen
Alteingessenen, der vom Dorfleben mit all seinen Geräuschen, Gerüchen und seinem Getratsche berichten kann, ist eines klar: Die 850 Bornumer lieben ihren
Ort, sie pflegen ihn und die Kontakte.
Und die gehen weit über Floskeln am Gartenzaun hinaus. Das satte Grün der Bäume im Frühjahr und
schneebedecktes Fachwerk im Winter lassen Bornum in jeder Jahreszeit idyllisch wirken. Das wissen nicht nur Einwohner. Von den Feierlichkeiten zur 850-Jahr-Feier 1985 ließen sich rund 3000 Besucher anstecken.
Selbst eine Filmfirma zog der Ort mit seinem Charme an, Schauspieler machten es sich dort kommod. Eine Akteurin ist am Elmrand geblieben der Liebe wegen. "Klein Hollywood" in Bornum: Hier entstanden diverse Folgen von "Neues aus Uhlenbusch".
Das
Pfarrhaus wurde kurzerhand zum Tonstudio umfunktioniert. "Für die Filmleute hat sich eine reizvolle Kulisse geboten, für uns war es Alltag", sagt
Ortsbürgermeister Jürgen Beese. Die Laiendarsteller aus dem Dorf bekamen mit "Neues aus Uhlenbusch" einen Hauch der weiten Welt zu
spüren.
Mehr als einen Hauch hätten sie auch nicht gewollt, sagt Beese.
Er sei stolz aufs liebenswerte Örtchen, das Wert darauf lege, keine
Schlafstadt zu sein. Und Beese ist so einer, der etwas zu erzählen hat. In der guten Stube mit dem Dorfarchivar Gerhard Röhrig und Vorsitzenden des Geschichtsvereins Dä Born, Dr.Reinhardt
Lüer.
Platt-Theater und viele Vereine
Ein Trio, das bestens über Geschichte und
Geschichten Bescheid weiß. Mit schier unendlich großem Wissen zur Historie überzeugt der Vereinsvorsitzende, mit dem Aktuellen aus dem Dorf bei
Königslutter der Ortsbürgermeister, und für die "Sahne", Anekdötchen zum Schmunzeln, ist der Archivar zuständig.
Kein Wunder, stammen doch
viele der inzwischen weit übers Dorf hinaus bekannten und (vor allem) berüchtigten plattdeutschen Theaterstücke aus seiner Feder.
Und es sprudelt aus ihm heraus. Für die Vorliebe der Bornumer für ihre Vereine (Beese: "Wir haben mehr Mitglieder als Einwohner.") waren schon die Vorfahren bekannt. Das rege Vereinsleben begann mit dem Bullenklub. Ein loser Zusammenschluss, dem Familien aus dem Dorf angehörten, die regelmäßig einen Ochsen schlachteten und dann "zu richtig zünftiger Ochsenschwanzsuppe" eingeladen hatten. An eine Vereinsgründung sei damals nicht zu denken gewesen, sagt Röhrig. Doch viele seien dem Beispiel gefolgt und bildeten Clubs, von denen man sich heute noch erzähle.
Die Vereine: Feuerwehr (von 1875, rund 100Mitglieder), Sportverein (1920, 430), Liedertafel (1876, 50), Schützenverein (zirka von 1970, 40) Röhrig kramt in Erinnerungen: "Früher gab es doch den Schützengarten, in dem man sich regelmäßig getroffen hat." Geschichtsverein (1985, 220), Frauenhilfe.
In loser Form agiert die plattdeutsche Theatergruppe (1985) . Das beschauliche Dorf beherbergt außer Bilderbuch-Atmosphäre noch sechs landwirtschaftliche Betriebe im Haupterwerb (in der Nachkriegszeit waren es um die 40), zwei im Nebenerwerb sowie Handwerksbetriebe: Dachdecker, Baubetrieb, Hausschlachterei mit drei Verkaufstagen in der Woche, Landschaftsgärtnerei
Zu nennen sind darüber hinaus ein Kiosk, ein Café am Waldrand und zwei Hotels mit Gaststätten.
Und diese Lokale lieben die Bornumer der Geselligkeit wegen. Es sei schon immer politischer Wille gewesen, kein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten, so die drei Urgesteine aus Bornum. Von Konkurrenz halten sie nichts. "Die beste Dorfgemeinschaft taugt nichts, wenn sie keine Kneipe ernähren kann", meint Röhrig weiter und schmunzelt.
Ach, dabei fällt ihm ein, dass schon viele der angehenden Hotelfachfrauen "weggeheiratet" worden seien. Und da ist sie wieder, die Sahne, die Bornum so süß macht.
"Hier verträgt man sich", sind sich Beese, Lüer und Röhrig einig. Die Vereine sprechen während zweier Treffen im Jahr ihre Termine ab, die auf einer Seite im "Dat bormsche Lindenblatt", der
Zeitung des Geschichtsvereins, nachzulesen sind.
Bornum sei auf Wasser gebaut, sagen die Einheimischen. Zwei Quellen kommen im Dorf ans Tageslicht.
Einmal An den Tröggen, wo früher die Wäsche gespült wurde, und dann gegenüber dem Hotel Lindenhof. Die haben dem heutigen Bornum auch den Namen verpasst.
Born, die Quelle. Weiteres Charakteristikum ist die Verwendung von Elmstein aus den Steinbrüchen für dicke Mauern und (stein-)gewaltige
Grundstückseinfriedungen.
Ein Turm, der nach Osten sieht
Auch ein Stückchen
Weltgeschichte hat Bornum laut Aussagen der Experten geschrieben, denn die Doktorarbeit von Karl Marx sei einst mit Bornumer Geld des Schwiegervaters
bezahlt worden. 80Taler sollen es gewesen sein.
Eine Besonderheit ist auch der Kirchturm, der nach Osten und
nicht nach Westen weist. Am Kirchenschiff an der Ostseite nagte einst der Zahn der Zeit, so dass es an der Westseite neu aufgebaut wurde. Den alten
Turm (Teile gehen aufs Jahr der ersten Erwähnung zurück) im Osten jedoch hat man weiter benutzt. Ein Zeichen dafür, dass in Bornum eben manches anders
ist.
Dienstag, 20.03.2001
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