Bauernchef: Trockenheit kann Ernte schmälern - Knappe Rohstoffe Braunschweiger
Zeitung, 21.04.2011
Die Trockenheit und unsichere Entwicklung auf den globalen Agrarmärkten lassen die deutschen Landwirte mit gemischten
Gefühlen ins Erntejahr 2011 blicken.
Zwar dürften die Preise für Nahrungsmittel und Energiepflanzen insgesamt ihr hohes Niveau halten, schätzt
Niedersachsens Bauernchef Werner Hilse. Zugleich müssten sich die Kollegen jedoch gegen drohende Schwankungen absichern, sagte der Vizepräsident des
Deutschen Bauernverbands in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Die infolge des Dioxin-Skandals verschärften Futtermittelkontrollen seien auf
einem guten Weg. „Aber die Liste der Reformvorschläge muss weiter abgearbeitet werden“, betonte Hilse.
Nach der durchwachsenen Ernte 2010
hoffen die deutschen Landwirte in diesem Jahr auf öhere Erträge. Spielt das Wetter da bislang mit?
Hilse: „Die Vegetation ist sehr weit, aber es ist
zu trocken. Wir bräuchten dringend Wasser - von Niedersachsen bis Baden-Württemberg. Die bevorstehende Ernte wird im Wesentlichen bestimmt durch das
Getreide, das bereits im Herbst ausgesät wurde, und die Bestellungen sind weitgehend abgeschlossen. Wenn wir jetzt zu wenig Feuchtigkeit bekommen, laufen
wir Gefahr, dass Schäden entstehen.“
Neben häufigeren Wetterextremen schlägt vielen Kollegen die launische Preisentwicklung auf den
internationalen Rohstoffmärkten aufs Gemüt. Wird es auch 2011 so schwierig, langfristig zu planen?
„Es ist ein starker Trend, dass fast alle
landwirtschaftlichen Produkte knapper werden. Die Erträge waren 2010 nicht besonders gut - weltweit, in Deutschland, in Niedersachsen. Wir hatten
Preiszuwächse von teils 70 Prozent, beim Zucker liegt der Weltmarktpreis inzwischen auf dem EU-Niveau von 480 Euro pro Tonne. Die Gefahr von Abstürzen lässt
sich etwa durch längere Terminkontrakte der Genossenschaften ausgleichen. Andererseits lockt es viele, höhere Preise mitzunehmen.“
Oft geben
die Landwirte noch reichlich Überschüsse aus dem Vorjahr in die Vermarktung. Wie beeinflusst das die Kosten von Agrargütern?
„Die Lagerbestände auf
der ganzen Nordhalbkugel sind überwiegend abgebaut. Das treibt die Preise zusätzlich. Auch deshalb ist es wichtig zu beobachten, wie sich das Wetter im
Mai entwickelt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass wir noch eine normale Ernte bekommen. Es wird aber wohl keine größeren Preisabschläge
geben.“
Aus der Entwicklungspolitik hagelt es weiter Kritik an der Vorliebe mancher Landwirte, lieber lukrative Energiepflanzen wie Raps
anstelle von klassischen Nahrungsmitteln anzubauen. Alles nur übertrieben?
„Die Weltbevölkerung wächst zurzeit pro Jahr etwa um die Größe der
deutschen Bevölkerung. Damit ist klar: Wir brauchen jährlich auch 40 bis 50 Millionen Tonnen mehr Getreide. Man muss die Frage der
Energiepflanzen-Produktion sicherlich überdenken. Das Umschwenken auf den Maisanbau für Biogas oder auf Biosprit-Grundstoffe ist jedoch nicht die
alleinige treibende Kraft. Wenn mit Lebensmitteln dauerhaft höhere Einkünfte erzielt werden können, wird der Anbau von Nahrungsmitteln attraktiv
bleiben. Das relativiert sich wieder.“
Nicht nur die Preise, auch die Qualität wurde im Zuge der Dioxinkrise wieder stärker zum Thema. Der
Welle der Empörung ist inzwischen abgeebbt - haben sich die Kontrollen denn konkret verbessert?
„Es wurde einiges getan bei der
Futtermittel-Überwachung, der Skandal hat Spuren hinterlassen. Aber die Liste der Reformvorschläge muss weiter abgearbeitet werden - gerade weil Probleme
nicht mehr so in der Öffentlichkeit stehen. Umstritten ist zum Beispiel, wie genau man technische Fette definiert, die nicht in den Kreislauf
dürfen.“
Die EU-Staaten ringen um die finanzielle Ausstattung der gemeinsamen Agrarpolitik ab 2013. Müssen die Bauern um Teile der Mittel
bangen? „Die Frage, wie das künftige Budget aussieht, bleibt spannend. Können wir den Anteil der Landwirtschaft von rund 50 Milliarden Euro erhalten? Ich
glaube, dass wir Anpassungen bekommen - in Deutschland werden die sich aber nicht stark auswirken. Im Kern muss das System der Direktzahlungen Bestand
haben. Man kann es mit Umwelt- oder ähnlichen Leistungen koppeln. Einkommenshilfen sind jedoch unabhängig von der Größe weiterhin ein wichtiger Faktor
für viele Betriebe.“ dpa
Donnerstag, 21.04.2011
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